Metallindustrie | Herstellung | Kransysteme | Hebetechnik | von STAHL CraneSystems | 18 Jan 2022
Ein solches Projekt bekommt man nicht alle Tage, insbesondere was den Standort der Lösungen anbetrifft. Hubert Schmid Bauunternehmen, Kranbaupartner von STAHL CraneSystems, erhielt den Auftrag zur Konstruktion und Montage von insgesamt vier Krananlagen, die in den Stationen der Nebelhornbahn in den Allgäuer Alpen für Wartungseinsätze vorgesehen sind. Neben den zeitlichen, logistischen und konstruktionsbedingten Herausforderungen waren vor allem architektonische Besonderheiten zu berücksichtigen.
Das Nebelhorn gehört zur Daumengruppe der Allgäuer Alpen. Touristen können den 2224 Meter hohen Berg per pedes erreichen, oder aber weitaus schneller und bequemer mit der Nebelhornbahn. Sie trat bereits im Juni 1930 ihre Jungfernfahrt an und gehört noch heute zu den längsten Personenschwebebahnen der Welt.
Nach rund 90 Jahren wurde die Nebelhornbahn ab 2019 grundlegend modernisiert, um für eine neue 10er Kabinenbahn Platz zu schaffen, die die Besucher hinauf zum Gipfel bringt. Die Oberstdorf-Kleinwalsertal Bergbahnen setzten bei diesem Projekt mit einem Investitionsvolumen von zirka 55 Mio. Euro vor allem auf eine umweltfreundliche und ökologische Bauweise.
Seilbahntechnik vom Experten
Die Bauarbeiten am Nebelhorn in Oberstdorf begannen im Sommer 2019. Die Modernisierung beinhaltet u. a. eine neue Tal- und Mittelstation sowie die Erweiterung der Bergstation. Neben einem barrierefreien Einstieg steht vor allem der Komfort für die Besucher an erster Stelle. Jeder Fahrgast soll eine Sitzmöglichkeit erhalten, um den Ausblick genießen zu können. Und an der Mittelstation ist nun kein Umsteigen mehr erforderlich, wodurch die Wartezeiten auf der Fahrt zum Gipfel verkürzt werden.
Die gesamte Seilbahntechnik inklusive der Steuerungen und Kabinen lieferte die Leitner AG mit Sitz in Sterzing, Südtirol. „Wir realisieren im Grunde alles, was es an Systemen im Bereich der Seilbahntechnik weltweit gibt. Als Gesamtprojektplaner für die Nebelhornbahn übernahmen wir u. a. auch die mechanische Montage und elektrischen Installationen“, berichtet Gerald Senn, Baustellenleiter für die Seilbahntechnik bei Leitner.
„In Bezug auf die Krantechnik für die einzelnen Stationen mussten die Anlagen zum Teil in Bereichen mit sehr beengten Platzverhältnissen integriert werden und sich außerdem an bereits vorhandene bauliche Gegebenheiten und auch Besonderheiten anpassen. Als Partner für das Vorhaben haben wir uns für Hubert Schmid entschieden, weil das Unternehmen nicht nur über das Know-how für die Implementierung der von uns gewünschten Krantechnik verfügte, sondern in diesem Zusammenhang zudem Lösungen für die mitunter speziellen Schnittstellen, die hierbei zu berücksichtigen waren, bot. Hinzu kommt, dass Hubert Schmid als regionales Unternehmen einen zuverlässigen lokalen Service für die Krananlagen sicherstellen kann“, sagt Jan Sorg, Projektingenieur bei Leitner.
Für Hubert Schmid begann das Projekt Mitte 2020, wobei sich die Montagezeiten der Krane am Baufortschritt der einzelnen Bahnstationen orientierte. „Wir hatten demnach im Schnitt immer nur wenige Tage Zeit zur Montage und Installation. Daher haben wir u. a. die Krane im Werk vormontiert“, erklärt Rainer Haase, Projektleiter bei der Hubert Schmid Bauunternehmen GmbH.
Viel Maßarbeit nicht nur beim Transport
Die Bergstation der Nebelhornbahn, die sich auf 1932 m ü. NN befindet, erwies sich schon rein logistisch als echte Herausforderung, denn die Krane und Komponenten mussten über enge, steile Bergstraßen mit viel Geschick und Erfahrungen der Lkw-Fahrer zum Einsatzort transportiert werden. „Und auch wir haben unsere Montagematerialien und Werkzeuge in Allrad-Fahrzeuge umgeladen, um zur Bergstation zu gelangen“, so Rainer Haase.
Herausforderungen gab es aus Sicht von Gerald Senn zudem bei der Installation der Krane selbst. Die Dachkonstruktion der Bergstation besteht aus Holzleimbindern. Der Einschienenhängekran mit einer Traglast von 1,6 Tonnen musste daran bei Dachneigung horizontal abgehängt installiert werden. „Die Laufbahn des Krans wurde daher an den quasi stufenförmig angeordneten Leimbindern montiert. Jede einzelne Aufhängung der Einschienenlaufbahn ist somit eine Sonderkonstruktion“, so Senn.
Kettenspeicher nach Kundenwunsch
Die Länge der Einschienenlaufbahn des Krans (maximale Fahrgeschwindigkeit 40 m/min) beträgt 13,42 m. Installiert wurde außerdem ein Hubwerk mit einem Kettenzug ST 30 mit einer Hubhöhe von 8,5 m, einer Hubgeschwindigkeit von max. 8 m/min und einer maximalen Katzfahrgeschwindigkeit von 20 m/min. Der Kettenzug erhielt auf Kundenwunsch einen Sonderkettenspeicher. Hierzu Rainer Haase: „In Räumen mit hohen Störkanten hängt der Kettenspeicher mitunter tiefer als der Kranhaken. Da Seilbahntechnik viele bewegliche Teile hat, ist hierzu stets ein Sicherheitsabstand von mindestens 500 mm einzuhalten. Daher wurde für den Kettenzug ein verkürzter Kettenspeicher aus Stahlblech gewählt.“
Wenn jeder Millimeter zählt
Die Mittelstation erhielt gleich zwei Krane, davon einen Einträgerhängekran mit einer Traglast von 2 t und einer max. Fahrgeschwindigkeit von 20 m/min. Auch dieser Kran mit einer Kranbahnlänge von 28,92 m wurde an Leimbinder befestigt. Eine Anforderung bestand in diesem Zusammenhang darin, die Längenausdehnung durch die Leimbinder aufgrund von Temperaturschwankungen bei der Verbindung der Träger für einen ruhigen Lauf der Rollen zu berücksichtigen.
Da mit dem Hubwerk (max. Hubhöhe 19 m) im niedrigen Raum der Mittelstation möglichst alle Wartungsbereiche gut erreichbar sein sollten, war hier insbesondere der zur Verfügung stehende Platz in der Höhe entscheidend. Aus diesem Grunde wurde ein Kettenzug STK 50 mit Superkurzer Katze und integriertem Sonderkettenspeicher eingesetzt.
Die Superkurze Katze erreicht mit einer um 60 % reduzierten Bauhöhe maximale Hakenwege, was vor allem bei beengten Platzverhältnissen wie in der Mittelstation vorteilhaft ist. Der Abstand von der Trägerunterkante zum Hakengrund beträgt je nach Tragfähigkeit eines Krans gerade einmal 210 mm oder sogar nur 185 mm. Die hierbei verwendeten, senkrecht montierten Kettenzüge basieren auf den Standardkomponenten des Kettenzugprogramms ST von STAHL CraneSystems. Die patentierte Kettenführung ist hierbei einzigartig, wobei zwei getrennte, synchron laufende Ketten auf eine Hakenflasche wirken.
Die Mittelstation verfügt überdies über einen Wartungstand für die Seilbahngondeln, der mit einem Einträgerlaufkran (Traglast 1,6 t, Hubhöhe von 8,5 m) ausgestattet wurde. Im niedrigen Raum des Wartungsstandes musste der Kran für maximal geringe Anfahrmaße ebenfalls möglichst tief unter die Decke angebracht werden. „Da hier wirklich jeder Millimeter zählte, entschieden wir uns erneut für einen Kettenzug STK 50 mit Superkurzer Katze“, so Haase.
Optimale Integration in die Architektur
Die Talstation der Nebelhornbahn empfängt die Besucher mit einer besonders eindrucksvollen Architektur aus Holz und Glas, denn insgesamt 39 Holzleimbinder überspannen eine 10 Meter hohe und komplett verglaste Halle. Der Einträgerhängekran mit einer Traglast von 2 t sowie einer Hubhöhe von 8,5 m und vor allem die Kranbahn, die sich über die gesamte Länge der Halle von mehr als 36 m erstreckt, sollten sich möglichst optimal in das Bauwerk einfügen und durften keinesfalls die anspruchsvolle Architektur stören
„Das Hubert Schmid Bauunternehmen ist auch auf solch´ spezielle Wünsche eingegangen, um ganz individuelle Lösungen zu schaffen“, betont Jan Sorg.
Anstelle von Flachstählen, wurde für die Aufhängung der Kranbahn eigens eine besonders filigrane Lösung entwickelt, die im Befestigungsbereich an den Leimbindern und an der Kranbahn einen größeren Querschnitt aufweist, während sie sich in der Mitte verjüngt.
„Dort, wo aufgrund der Statik oder aufzunehmenden Kräfte viel Material benötigt wird, ist es vorhanden. Wo indes geringere Lasten und Kräfte wirken, konnten wir auf breitere Querschnitte verzichten. Hierdurch fügt sich die Kranbahnaufhängung optisch optimal in die Gesamtarchitektur der Talstation ein. Für Kranträger und Kranbahn wählten wir außerdem einen Farbton, der den feuerverzinkten Kranbahnaufhängungen sehr nahekommt“, erklärt Rainer Haase. Mit Blick auf die Hallenlänge war hier außerdem die Längenausdehnung der Kranbahnträger über die gesamte Kranbahn zu berücksichtigen, da sich die Träger direkt unter dem Glas mehr aufheizen als üblich. Durch ihre an den Enden abgeschrägten Trägerstöße passen sie sich indes bei Temperaturschwankungen flexibel an, sodass auch die Laufrollen des Krans ohne Störungen darüber hinwegfahren.
Start in die Saison mit positivem Fazit
Das Kranbauprojekt wurde im März 2021 nach rund 10 Monaten abgeschlossen. Pünktlich zum geplanten Eröffnungstermin konnte die Nebelhornbahn fertiggestellt werden und Mitte Mai 2021 ihren Sommerbetrieb aufnehmen.
„Wir sind mit den gesamten Leistungen und Ergebnissen von Hubert Schmid überaus zufrieden“, freut sich der Projektingenieur Jan Sorg und Baustellenleiter Gerald Senn unterstreicht nochmals die gute Zusammenarbeit: „Die Kommunikation und die Organisation auf den Baustellen haben in gegenseitiger Abstimmung während der Projektlaufzeit wirklich hervorragend funktioniert. Sollte es ein ähnliches Projekt geben, werden wir gerne wieder auf das Unternehmen zukommen.“
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